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Donnerstag, 16. September 2010

Nass

Es regnet.
Immer.Jeden Tag. 
In Calgary.
Calgary ist als „sonnigstes Städtchens Kanadas“ bekannt. Das ist meiner Meinung nach blanker Hohn. Gestern konnte ich für ungefähr fünf Minuten die Sonne am Horizinont erahnen. Die restliche Zeit ist zwischen dem Himmel und meinem Kopf ein riesiger Regenschirm, sodass sich mein Sichtfenster eher auf den Boden als auf höhere Sphären konzentriert.
Ich bin genervt. Dieses Wetter hätte ich auch in Berlin haben können.
Gemeinsam mit dem Wetter hat sich auch der Alltag eingeregnet.
Offensichtlich reicht es, den Menschen irgendwo auf der Welt auszusetzen und ihm zu sagen, dass er an diese Ort jetzt eine Weile bleiben wird; schon fängt er an, morgens Kaffee zu kochen, die Wände seines Zimmers mit Fotos zu dekorieren und die Handtücher im Schrank nach Farbe und Größe zu ordnen. 
Voilà, die neue Heimat ist fertig.
Als Stundentin der Universität Calgary schleiche ich jetzt gewohnheitsmäßig, wie alle anderen,morgens mit einem Starbucks XXL-Kaffee durch den Regen. Unter meinem Arm klemmt mein Macbook und wenn ich jemand bekanntes sehe, zwitscher ich:“Hi, how are you today?“
Im Gegensatz zu allen anderen ist mein Macbook schon 4 Jahre alt und die Frage nach dem Wohlbefinden kommt mir ,mit meiner angeborenen deutschen Unfreundlichkeit, nur schwer über die Lippe. Außerdem schaffe ich meinen Riesenkaffee nie und muss ihn irgendwann mit zittrigen Händen in den Ausguss gießen
Nach Kursen, die sich jeweils über lächerliche 50 min erstrecken, geht man kollektiv ins Fitnesscenter. Immerhin hat hier jedes Gericht so um die 3400 kcal. Wenn man weiterhin durch die schmale Tür seines Wohnheimzimmers passen möchte, ist das Laufband dringend empfehlenswert. 
Eigentlich laufe ich ja lieber draußen in der Natur. Aber regnet es ja immer.

Jeden Donnerstag geht es in den „DEN“. Das ist die Kneipe auf dem Campus. Dort treffen sich alle uns es wird getanzt. Bis ein Uhr, dann ist Sperstunde. Da sich die Türen auch schon um 8:00 öffnen,trifft man sich um 6:30 um sich zu betrinken. Daran kann ich mich nicht gewöhnen. Da ich aber nicht die einzige sein will, die 18$ für einen Cocktail ausgibt, überwinde ich mich und genehmige mir pünktlich um 6:35 mein erstes Glas Wein. Es ist kanadischer Wein und schmeckt ein bisschen so, als hätte jemand zusätzlich künstliches Wildbeeren-Aroma hinzugefügt. Vielleicht sollte ich ihn mit Cola verdünnen.
Schnell wird deutlich, dass der Nordamerikansiche Kontinent Europa, sowohl wettertechnisch als auch im Punkto Alkoholgenuss irgendwie unterlegen zu sein scheint.
Weil wir es uns hier aber trotzdem schön machen wollen, stolpern 8 angeheiterte Transfer-Stundents um 7:15 durch gewaltige Pfützen. Ab und zu nippen sie an Plastikbechern mit Wein-Cola. Dieser Plastikbecher befindet sich in einer braunen Papiertüte. Wir müssen uns beeilen, da sich die Papiertüte durch den Regen auflöst. 
So ist das hier-in Calgary.

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