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Donnerstag, 2. August 2012

Pilze suchen für Anfänger


Viele nicht mehr ganz nachzuvollziehbare Zusammenhänge führten dazu, dass ich für meine Diplomarbeit hauptsächlich mit der Fermentation von filamentösen Pilzen beschäftigt bin.
Für die Glücklichen unter euch, die sowohl mit dem einem, also auch mit dem anderen nichts anfangen können, hier eine kurze Einführung:
Filamentöse Pilze sind die Pilze, die flauschig auf unserem Brot wachsen, wenn wir es zu lange in der Sonne vergessen haben. Sie sind oft grün oder weiß- im Badezimmer zwischen den Fugen auch gerne mal schwarz. Mein Pilz heisst Aspergillus niger, und schimmelt, lässt man ihn ungestört wachsen muffelig schwarz vor sich hin.
Ein Fermentor benutzt man, um in kurzer Zeit viele Pilze unter klar definierten Konditionen (Temperatur, Druck, pH-Wert) heranwachsen zu lassen. Er besteht aus einem Glasgefäß und unzähligen Pumpen, Schläuchen und kleinen Geräten, die sehr sensibel sind und präzise bestimmte Dinge, z.B. die Temperatur messen sollen, dieses aber nur selten präzise tun. In modernen Laboren kann man auch die Luft analysieren, die aus dem Fermentor heraus kommt und feststellen, welche Gase im Fermentor produziert werden. Hoffentlich CO2 denn das bedeutet, dass der Pilz wächst. Hoffentlich nicht Methan, denn dann riecht es unangenehm und etwas läuft verkehrt. 
Wirft man nun sein schimmliges Brot in Form einer konzentrierten Pilz-Lösung in einen Fermentor, zusammen mit ein bisschen Zucker, einigen Mineralsalzen und Wasser, dann besteht die Chance, dass nach 24h viele quick lebendige Pilze darin herum schwimmen und nützliche Dinge produzieren, z.B Zitronensäure. Wenn man den pH-Wert verändert, formen sich kleine oder große Pilzfamilien, die dann mehr oder weniger Säure produzieren. Am allerliebsten sollte der Pilz aber Proteine herstellen, die man dann für viel Geld an die Industrie verkaufen kann. Das ist allerdings etwas schwierig, da niemand so genau weiß, unter welchen Bedingungen die meisten Proteine produziert werden.
Viele kluge Menschen gehen nun ins Labor und schalten wie wild Gene an und aus und hoffen, dass dadurch die Proteinherstellung angekurbelt wird. Oft passiert gar nichts oder etwas, was niemand erwartet hat. Selten entstehen große Mengen an Proteinen.
Daher teste ich der Reihe nach unterschiedliche Pilz-Mutanten um rauszufinden, welcher von ihnen hinsichtlich der Proteinherstellung ein richtiger Bringer ist. 
Das kostet Zeit und Nerven. Und Geld. Eine Fermentation dauert 4 Tage. Die Vorbereitung dauert 2 und die Reinigung einen Tag. Die Analyse der ganzen Daten sowie weitere Versuche im Anschluss dauern mindestens eine Woche. Wenn man sechs Fermentoren startet, gehen min. 2 im Laufe des Versuchs kaputt, da irgendetwas nicht stimmt, eine Pumpe nicht funktioniert oder die Temperatur-Regelung ausfällt.  Mindestens einer der Fermentoren ist kontaminiert, d.h. es wächst neben dem Pilz noch etwas anderes was die Ergebnisse verfälscht. 
Im Klartext: Wenn man gut ist, kann man von den sechs Fermentoren drei heil ans Ende des Experiments bringen. 
Wenn es um die Wahrscheinlichkeit von Erfolg geht, arbeitet die Fermentation gegen mich. Ich habe schon 6 Wochen lang versucht optimale Bedingungen für meinen kleinen Pilz zu schaffen und habe vielleicht 3 auswertbare Versuchsreihen. Von riesigen Mengen an Proteinen ist am Horizont weit und breit nichts zu sehen.
Dabei ist es eigentlich nicht so schwer. Wenn man alle der 250 notwendigen Schritte zur Vorbereitung, sowie die restlichen hundert während des Experiments genaustens befolgt und sich dann auf die einwandfreie, moderne und gut gewartete Ausstattung des Labors verlassen kann, kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Wie gesagt: 3 auswertbare Versuchsreihen.
Nächsten Montag starte ich die nächste Runde. Ich habe alle 250 Schritte mit verschieden farbigen Stiften auf ein Blatt Papier geschrieben und noch unterstrichen. 
Hoffentlich, ist diesmal die Wahrscheinlichkeit auf meiner Seite.