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Dienstag, 24. April 2012

shiny happy people

In Dänemark sind alle Menschen glücklich. Immer. Sie sind gesund, haben keine Selbstzweifel und kennen Gefühle wie Neid und Misgunst nur aus deutschen Filmproduktionen. Das Leben der Dänen ist perfekt geplant und nie geht etwas schief. Jeder ist gut gelaunt, vermutlich weil sie genau wissen, was sie erwartet.

Jeden Tag wird bei mir im Institut gemeinsam zu Mittag gegessen. Alle essen Punkt 12 Schwarzbrot mit fettreduziertem Belag und Gemüse. Man sitzt gemütlich zusammen und unterhält sich. Ich höre meistens nur zu und esse wahlweise eine Heiße -Tasse von Maggi, ein Stück Pizza von gestern Abend (nicht selbstgemacht) oder wenn es ganz hart kommt ein Brot mit Nutella. Die in etwa gleichaltrigen Mitessen tauschen sich über ihre Alltagssorgen aus. Sie sind alle verheiratet oder verlobt, bereits Mutter oder Vater und in Besitz einer Eigentumswohnung mit mehr als 100 Quadratmetern. Ich lebe mir meinem Freund auf 55 Quadratmetern zur Untermiete. Niemand scheint finanzielle Sorgen oder Zukunftsängste zu kennen, denn alle nehmen freudig Kredite auf und überlegen sich einen Staubsauer- Roboter zu kaufen. Na klar doch.

Auch in der Freizeitplanung sind die Dänen mir überlegen. Nach ihrem 10h- Tag im Labor radeln sie fröhlich nach Hause zu ihrer Eigentumswohnung mit Südbalkon um dann frisch und munter noch 13 km zu joggen- da das Wetter ja so schön ist. Nach 7 km radeln trinke ich ein Bier an unserem französischen Fenster und schaffe es gerade mal unter die Dusche und wieder zurück auf das Sofa.

Ich fühle mich manchmal fehl am Platz in Dänemark. Weil ich oft schlechte Laune habe, gelegentlich schwarz fahre und meine Pfandflaschen wegschmeiße. Die Super-Dänen machen mir Angst, es muss doch auch welche mit schlechten Eigenschaften gebe?. Warum wirken sie oft so überlegen, als wüssten sie es besser? Das, mit dem Leben.

Selbst auf der Straße geben mir Dänen das Gefühl, ich würde etwas falsch machen. Zum Beispiel auf der falschen Seite des Gehwegs gehen oder auf den falschen Sitzen in der U-Bahn sitzen. Deswegen immitiere ich so gut es geht, was die Dänen machen- um nicht aufzufallen.

Das Beachten und Befolgen von allmöglichen Regeln und Lebensentwürfen ist mir neu. In Berlin macht jeder was er will. Wenn hier das Gesundheitsamt findet, die Dänen sind zu dick, gibt es eine neue Steuer auf fetthaltige Produkte- und niemand beschwert sich.

Vielleicht muss man sich in einem kleinen Land an den großen Plan halten? Dänemark ist wohl kein Land für Individualisten.

Dienstag, 3. April 2012

Gut gegen Nordwind

Mit jeder neuen Jahreszeit beginnt ein neuer Abschnitt. Ich als Fan von kultureller Abwechslung beginne diesen in einem nördlich gelegenen Nachbarland, welches die EU- Bestimmungen zur Immigration etwas weitläufiger interpretiert. Dafür ist Dänemark sehr fortschrittlich, wenn es um die Gewinnung von Windenergie geht. 
Vor dem Umzug ins neue Heimatland gibt es eine Brückenphase im Heimathafen. Da die alte Wohnung schon weg ist, bieten Mama und Papa Unterschlupf im alten Kinderzimmer. Zwischen dem Meerschwein, gemütlichen Tatort- Abenden, Kaffee und Kuchen, der Badewanne sowie Sonntagsspaziergängen vergisst man schnell den Ernst des Lebens und ist wieder 15 Jahre alt. Dann fällt man aus allen Wolken, wenn man auf einmal nicht mehr von Papa geweckt wird und Lebensmittel wieder selber einkaufen und zubereiten muss. Eine solche Zeitreise ist sehr empfehlenswert, sollte jedoch abgebrochen werden, bevor Diskussionen über das Outfit, den gerade aktuellen, coolen Kifferfreund, Bereitschaft zur Mithilfe im Haushalt oder Zensuren aufkommen. Also breche ich nach 3 Wochen mit friedlicher Grundstimmung modisch, aber stilvoll gekleidet auf in den Norden.
Die Dänen empfangen mich mit offenen Armen und ich darf als EU- Bürger erst einmal eine „residence permit“ beantragen. Hoffentlich darf ich bleiben. Man benötigt nur einen Nachweis, dass man über unbegrenzte finanzielle Mittel verfügt und schon ist man willkommen. Ich fühle mich allerdings etwas seltsam zwischen all den anderen „Immigranten“, die offensichtlich keine Mutter haben, die dafür bürgt den monatlichen Minimalbetrag, der in Dänemark zum Leben benötigt wird, zu überweisen. Zum Glück ist meine Mutter Beamtin, das finden potentielle Vermieter auch immer klasse.
Hat man den Immigrations- Schock erst einmal überwunden, bleibt Zeit, Dänemarks positive Attribute näher unter die Lupe zu nehmen. Es gibt ein flächendeckendes Netz sehr breiter Fahrradwege und allerdings auch 20 verschiedene Regeln, die man beachten muss, sonst gibt es hohe Geldstrafen zu zahlen. In Berlin fahre ich immer ohne Licht und ohne wild zirkulierende Armbewegungen, die anzeigen, dass ich den Gang wechsel. Ich habe nicht einmal verschieden Gänge. Ich bin gespannt, wie lange ich ohne Katzenaugen und selbst reflektierenden Reifen mit beiden Händen am Lecker der dänischen Polizeit entwischen kann.
Außerdem gibt es super Angebote in Supermärkten, sodass man 7 Packete Pasta zum Preis von 4 kaufen darf. Man muss sich nur gut überlegen, wo man die Pasta lagern wird. Ich habe mir schon verschiedene Rezepte für Lasagneblatten, dreifarbige Spirellinudeln oder Makkaroni ausgedacht, denn es ist sogar möglich unterschiedliche Pasta-Arten miteinander kombinieren. Mein deutsches Sparer-Herz schlägt höher.
Bald ist die erste Woche um. Aufgrund der hohen Preise für öffentliche Verkehrsmittel fahre ich jeden Tag mit meiner Möhre von Fahrrad 13 km zur Arbeit. Danach freue ich mich auf einen Teller gesunde Vollkornspaghetti und eine Folge dänischen Psycho-Krimi. Hoffentlich kommt meine „residence permit“ bald, dann darf ich als Immigrant einen dänischen Sprachkurs belegen.
Vi snakkes ved.