Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Sonntag, 27. Oktober 2013

Power pointen.



Das Highlight eines jeden Promovierenden sind Konferenzen. Sie dienen offiziell dem fachlichen Austausch der wissenschaftlichen Welt untereinander, aber versüßen einem in Wirklichkeit den Labor-Alltag und bieten die einzige Rechtfertigung Kleidung des höheren Preissegments zu kaufen. Versinkt man die restlichen Tage im Jahr in einem formlosen Kittel aus Baumwolle, so glänzt man auf einer Konferenz wie der Phönix aus der Asche.  

Konferenzen finden meistens im fernen Ausland statt, wo es, wenn man Glück hat, schön warm ist. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die Konferenzen, die in Hannover stattfinden, einfach nicht besucht werden da der Rest der Akademiker ebenfalls lieber am Strand in der Sonne fachsimpelt als in einem Motel an der Autobahn. Aus diesem Grund werden Konferenzen dort organisiert, wo die Leute gerne hinkommen; in meinem Fall: Miami Beach. 

Selbstverständlich  darf die Berechtigung nicht fehlen, mit Kollegen am Strand zu liegen und daher muss jeder Teilnehmer einen Vortrag halten oder ein  Poster mit seinen Ergebnissen vorbereiten. Vorträge bedeuten für PhD-Studenten meistens Wochen voller Versagens-Ängste und Panik-Attacken, bieten aber auch die Möglichkeit für Kontakte zum späteren, überdurchschnittlich gut bezahlten Arbeitsplatz.

Das Poster hingegen ist einfach und unauffälliger. Es gilt wie auch im normalen Leben: Hauptsache es sieht gut aus, der Inhalt interessiert keine Sau.
Daher sitze ich seit gefühlten 100 Stunden an meinem Poster und versuche in PowerPoint ein ansehnliches Exemplar zu entwerfen. Ich entscheide mich für Farben, Schriftarten, richte Text-Boxen erst nach links, dann nach rechts aus, und verfluche die Tatsache, dass ich nie ein Praktikum bei einer Unternehmensberatung gemacht habe, denn dann wüsste ich jetzt, wie man ein fetziges Poster mit wenig Aussage macht und andere damit beeindruckt.

Ich bemühe mich, die fachliche Aussage meines Poster so weit es geht zu reduzieren, platziere aber gut sichtbar einen Zeitstrahl in harmonierenden Farben, der dem Leser ohne viele Worte erklärt worum es so geht in meinem Projekt. Der Zeitstrahl ist angenehm anzusehen und nimmt außerdem 50% meines Posters ein. Ich bin stolz und zufrieden.

Diese Woche muss ich es in A0 drucken, einrollen und über den Atlantik fliegen. Vor meinen 10h mit British Airways habe ich allerdings mehr Angst als vor kritischen Fragen zur Fabrwahl meines Zeitstrahls.

Guten Flug.

Montag, 21. Oktober 2013

Wie spät ist es?



Wenn ich übers Wochenende nach Berlin reise, um meine Eltern und Freunde zu besuchen, habe ich nie genug Zeit. 

Egal wofür. 

Es gibt immer jemanden, den ich nicht schaffe zu treffen, eine Party, die ich verpasse, einen Kaffee, den ich nicht trinken kann. Der ewige Begleiter, des Weggezogenen beim Heimatbesuch, ist die tickende Uhr. Bei mir startet das Ticken meistens Donnerstagabend gegen zehn und tickt bis Montagmorgen um sechs.  Mal tickt es lauter, mal leiser, je nachdem wie lange ich bleibe, wie viel es zu tun gibt, ob Sommer ist, oder mein Vater Geburtstag hat.
Aber egal wie laut die Uhr tickt, fast jeder Besuch ist ein Spagat zwischen dem elterlichen Frühstückstisch, dem Sofa der Freundin, preislich attraktiven Shopping-Möglichkeiten, dem Opa, einer durchtanzten Nacht, sämtlichen Vorsorgeuntersuchungen, alten Bekannten, Mittag mit Mama und dem Wunsch auch mal auszuschlafen, denn es ist ja auch mein Wochenende. 

Ich will alles schaffen und scheitere jedes Mal ein wenig. Je besser ich plane umso katastrophaler wird es, und ich werde jedes Mal nur gerettet, durch spontane, verständnisvolle Freunde, die ihren Kalender offen halten und so die 45 Minuten zwischen Prophylaxe und  Leberfleck-Screening mit Klatsch und Tratsch füllen. Ich hätte so gern mehr Zeit, für die kleinen Dinge, die allerdings nur passieren, wenn man Zeit hat. Aber die verpasse ich ja meistens, weil ich keine habe und wieder los und weiter muss. 

Deswegen freue ich mich immer sehr, wenn jemand zu Besuch kommt-in Dänemark. Meinen Besuch überschütte ich dann von morgens bis abends mit Liebe und Aufmerksamkeit. Wir erleben kleine Dinge zwischen den Großen und essen im Schlafanzug Frühstück im Wohnzimmer. Ich sehe meine Freundinnen ungeschminkt und koche mit ihnen ein Phantasiegericht . Meine Schwester und ich sehen bescheuerte Serien und putzen Schuhe. Aber auch da tickt die Uhr. Irgendwann ist Sonntag und der Besuch muss fahren und ich habe das Gefühl wieder was nicht geschafft zu haben. 

Tja, da müsst ihr wohl mal wieder kommen-sage ich. Ja, sagen die anderen, aber jetzt kommst du erst mal wieder nach Berlin. Ist klar.

Wenn der Besuch weg ist, oder ich wieder zu Hause bin, mit deutschem Käse im Kühlschrank und schwerem Herzen,  dann liege ich manchmal traurig im Bett und wünsche mir die Uhr würde nicht ständig ticken. Dann stelle ich mir vor, dass die Zeit stehen bleibt- allerdings während ich aufs Klo muss, Zahnschmerzen habe und es gerade regnet.  Immerhin bedeutet das Konzept der immer voranschreitenden Zeit ja auch, dass der nächste Besuch bald kommt oder ich wieder nach Berlin fahre. Tja, wer das eine will, muss das andere mögen. 

Vielleicht, wenn ich das Ticken akzeptiere, tickt es lautlos und ich muss es nicht mehr hören.

Eine Armbanduhr trage ich schon lange nicht mehr.

Samstag, 23. Februar 2013

Kekse und Schokolade


Mit der Promotionsstelle ist endlich alles anders. Mit meinem Studienabschluss gibt es nun sozusagen die optimierte Version meiner selbst, die immer noch nicht genug hat und zielstrebig und ehrgeizig dem zweiten akademischen Titel hinterher jagt. Habe ich mich während der Diplomarbeit größtenteils verloren gefühlt, meine Zeit ineffektiv eingeteilt bzw. verplempert, und einen Versuchsaufbau gewählt, der weder Hand und Fuß hat, so wird nun alles besser. Ein Diplomingenieur muss schließlich wissen wie es geht.

Ich plane vorausschauend und klug. Ich verwende statistische Methoden. Ich habe einen ordentlichen Schreibtisch, erledige alle Dinge fristgerecht, vergesse nichts, lasse mich nicht ablenken und esse jeden Tag ein Stück Obst. Seit zwei Monaten versuche ich an dieser Devise festzuhalten, und schon jetzt gibt es Excel-Dokumente, von denen ich nicht weiß, was sie eigentlich bedeuten. Im Leben eines PhD-Studenten gibt es zu viele Ablenkungen im Berufsalltag, sodass der Anspruch auf das angestrebte Forscher-Dasein in den Hintergrund rückt: Das Internet ist stets Ablenkungsfalle Nr.1 , danach kommt der Speiseplan für die Kantine, Ausflüge zum nächstgelegenen Supermarkt um Kekse oder Schokolade zu kaufen und natürlich andere PhD-Studenten, mit denen in der Küche Kekse oder Schokolade gegessen wird. Zusätzlich gibt es jeden Tag irgendwo ein Event bei dem man als PhD-Student etwas lernen kann über Zeitmangement, wie man anschließend einen Job in der Industrie findet oder über das Leben allgemein, dazu gibt es Snacks und Softgetränke. Ständig kommen Kollegen ins Büro, zeigen einem lustigen Links oder wollen ein Keks. Kurz: man kommt zu nichts. 

Während der Diplomarbeit konnte ich problemlos andere für meine schlechten Ergebnisse verantwortlich machen und mit dem Finger auf denjenigen zeigen, der sich mein Projekt ausgedacht hat. So war nicht mangelndes Zeitmanagement sonder schlechte Projektplanung Schuld an den schwer zu interpretierbaren Daten. Nun denke ich mir mein Projekt selber aus. Das ist toll finde ich, nur gibt es ca. 3 Millionen Dinge, die ich gerne ausprobieren würde, doch die Zeitbegrenzung liegt bei 3 Jahren und die finanziellen Schranken wahrscheinlich noch tiefer. Es sollte also möglichst günstig sein, und sich am besten in Unterprojekte einteilen lassen, sodass Bachelor- und Masterstudenten von mir mit beschäftigt werden können. Seit zwei Monaten plane ich. Und verwerfe den Plan. Zwischen all dem Planen, habe ich keine Zeit für meine Experimente. Bei all den Meetings, Events und Ablenkungen komme ich auch kaum zum Planen. Es ist ein Teufelskreis.

Seit zwei Wochen habe ich einen Bachelor-Student und keine Ahnung, was ich ihm mit seinem Unterprojekt für Anweisungen geben soll. Daher halt ich mich eher zurück mit Ideen und meine Beschreibungen seiner Arbeitsaufgabe sind recht oberflächlich. Ich sage ihm, dies sei eine tolle Chance für ihn, seine Zeit selber einzuteilen und seiner Versuche selbst zu planen. Ratlos schaut er mich an. Später wird er mit dem Finger auf mich zeigen und mich für seine schlechten Ergebnisse verantwortlich machen.