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Sonntag, 27. Oktober 2013

Power pointen.



Das Highlight eines jeden Promovierenden sind Konferenzen. Sie dienen offiziell dem fachlichen Austausch der wissenschaftlichen Welt untereinander, aber versüßen einem in Wirklichkeit den Labor-Alltag und bieten die einzige Rechtfertigung Kleidung des höheren Preissegments zu kaufen. Versinkt man die restlichen Tage im Jahr in einem formlosen Kittel aus Baumwolle, so glänzt man auf einer Konferenz wie der Phönix aus der Asche.  

Konferenzen finden meistens im fernen Ausland statt, wo es, wenn man Glück hat, schön warm ist. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die Konferenzen, die in Hannover stattfinden, einfach nicht besucht werden da der Rest der Akademiker ebenfalls lieber am Strand in der Sonne fachsimpelt als in einem Motel an der Autobahn. Aus diesem Grund werden Konferenzen dort organisiert, wo die Leute gerne hinkommen; in meinem Fall: Miami Beach. 

Selbstverständlich  darf die Berechtigung nicht fehlen, mit Kollegen am Strand zu liegen und daher muss jeder Teilnehmer einen Vortrag halten oder ein  Poster mit seinen Ergebnissen vorbereiten. Vorträge bedeuten für PhD-Studenten meistens Wochen voller Versagens-Ängste und Panik-Attacken, bieten aber auch die Möglichkeit für Kontakte zum späteren, überdurchschnittlich gut bezahlten Arbeitsplatz.

Das Poster hingegen ist einfach und unauffälliger. Es gilt wie auch im normalen Leben: Hauptsache es sieht gut aus, der Inhalt interessiert keine Sau.
Daher sitze ich seit gefühlten 100 Stunden an meinem Poster und versuche in PowerPoint ein ansehnliches Exemplar zu entwerfen. Ich entscheide mich für Farben, Schriftarten, richte Text-Boxen erst nach links, dann nach rechts aus, und verfluche die Tatsache, dass ich nie ein Praktikum bei einer Unternehmensberatung gemacht habe, denn dann wüsste ich jetzt, wie man ein fetziges Poster mit wenig Aussage macht und andere damit beeindruckt.

Ich bemühe mich, die fachliche Aussage meines Poster so weit es geht zu reduzieren, platziere aber gut sichtbar einen Zeitstrahl in harmonierenden Farben, der dem Leser ohne viele Worte erklärt worum es so geht in meinem Projekt. Der Zeitstrahl ist angenehm anzusehen und nimmt außerdem 50% meines Posters ein. Ich bin stolz und zufrieden.

Diese Woche muss ich es in A0 drucken, einrollen und über den Atlantik fliegen. Vor meinen 10h mit British Airways habe ich allerdings mehr Angst als vor kritischen Fragen zur Fabrwahl meines Zeitstrahls.

Guten Flug.

Montag, 21. Oktober 2013

Wie spät ist es?



Wenn ich übers Wochenende nach Berlin reise, um meine Eltern und Freunde zu besuchen, habe ich nie genug Zeit. 

Egal wofür. 

Es gibt immer jemanden, den ich nicht schaffe zu treffen, eine Party, die ich verpasse, einen Kaffee, den ich nicht trinken kann. Der ewige Begleiter, des Weggezogenen beim Heimatbesuch, ist die tickende Uhr. Bei mir startet das Ticken meistens Donnerstagabend gegen zehn und tickt bis Montagmorgen um sechs.  Mal tickt es lauter, mal leiser, je nachdem wie lange ich bleibe, wie viel es zu tun gibt, ob Sommer ist, oder mein Vater Geburtstag hat.
Aber egal wie laut die Uhr tickt, fast jeder Besuch ist ein Spagat zwischen dem elterlichen Frühstückstisch, dem Sofa der Freundin, preislich attraktiven Shopping-Möglichkeiten, dem Opa, einer durchtanzten Nacht, sämtlichen Vorsorgeuntersuchungen, alten Bekannten, Mittag mit Mama und dem Wunsch auch mal auszuschlafen, denn es ist ja auch mein Wochenende. 

Ich will alles schaffen und scheitere jedes Mal ein wenig. Je besser ich plane umso katastrophaler wird es, und ich werde jedes Mal nur gerettet, durch spontane, verständnisvolle Freunde, die ihren Kalender offen halten und so die 45 Minuten zwischen Prophylaxe und  Leberfleck-Screening mit Klatsch und Tratsch füllen. Ich hätte so gern mehr Zeit, für die kleinen Dinge, die allerdings nur passieren, wenn man Zeit hat. Aber die verpasse ich ja meistens, weil ich keine habe und wieder los und weiter muss. 

Deswegen freue ich mich immer sehr, wenn jemand zu Besuch kommt-in Dänemark. Meinen Besuch überschütte ich dann von morgens bis abends mit Liebe und Aufmerksamkeit. Wir erleben kleine Dinge zwischen den Großen und essen im Schlafanzug Frühstück im Wohnzimmer. Ich sehe meine Freundinnen ungeschminkt und koche mit ihnen ein Phantasiegericht . Meine Schwester und ich sehen bescheuerte Serien und putzen Schuhe. Aber auch da tickt die Uhr. Irgendwann ist Sonntag und der Besuch muss fahren und ich habe das Gefühl wieder was nicht geschafft zu haben. 

Tja, da müsst ihr wohl mal wieder kommen-sage ich. Ja, sagen die anderen, aber jetzt kommst du erst mal wieder nach Berlin. Ist klar.

Wenn der Besuch weg ist, oder ich wieder zu Hause bin, mit deutschem Käse im Kühlschrank und schwerem Herzen,  dann liege ich manchmal traurig im Bett und wünsche mir die Uhr würde nicht ständig ticken. Dann stelle ich mir vor, dass die Zeit stehen bleibt- allerdings während ich aufs Klo muss, Zahnschmerzen habe und es gerade regnet.  Immerhin bedeutet das Konzept der immer voranschreitenden Zeit ja auch, dass der nächste Besuch bald kommt oder ich wieder nach Berlin fahre. Tja, wer das eine will, muss das andere mögen. 

Vielleicht, wenn ich das Ticken akzeptiere, tickt es lautlos und ich muss es nicht mehr hören.

Eine Armbanduhr trage ich schon lange nicht mehr.

Samstag, 23. Februar 2013

Kekse und Schokolade


Mit der Promotionsstelle ist endlich alles anders. Mit meinem Studienabschluss gibt es nun sozusagen die optimierte Version meiner selbst, die immer noch nicht genug hat und zielstrebig und ehrgeizig dem zweiten akademischen Titel hinterher jagt. Habe ich mich während der Diplomarbeit größtenteils verloren gefühlt, meine Zeit ineffektiv eingeteilt bzw. verplempert, und einen Versuchsaufbau gewählt, der weder Hand und Fuß hat, so wird nun alles besser. Ein Diplomingenieur muss schließlich wissen wie es geht.

Ich plane vorausschauend und klug. Ich verwende statistische Methoden. Ich habe einen ordentlichen Schreibtisch, erledige alle Dinge fristgerecht, vergesse nichts, lasse mich nicht ablenken und esse jeden Tag ein Stück Obst. Seit zwei Monaten versuche ich an dieser Devise festzuhalten, und schon jetzt gibt es Excel-Dokumente, von denen ich nicht weiß, was sie eigentlich bedeuten. Im Leben eines PhD-Studenten gibt es zu viele Ablenkungen im Berufsalltag, sodass der Anspruch auf das angestrebte Forscher-Dasein in den Hintergrund rückt: Das Internet ist stets Ablenkungsfalle Nr.1 , danach kommt der Speiseplan für die Kantine, Ausflüge zum nächstgelegenen Supermarkt um Kekse oder Schokolade zu kaufen und natürlich andere PhD-Studenten, mit denen in der Küche Kekse oder Schokolade gegessen wird. Zusätzlich gibt es jeden Tag irgendwo ein Event bei dem man als PhD-Student etwas lernen kann über Zeitmangement, wie man anschließend einen Job in der Industrie findet oder über das Leben allgemein, dazu gibt es Snacks und Softgetränke. Ständig kommen Kollegen ins Büro, zeigen einem lustigen Links oder wollen ein Keks. Kurz: man kommt zu nichts. 

Während der Diplomarbeit konnte ich problemlos andere für meine schlechten Ergebnisse verantwortlich machen und mit dem Finger auf denjenigen zeigen, der sich mein Projekt ausgedacht hat. So war nicht mangelndes Zeitmanagement sonder schlechte Projektplanung Schuld an den schwer zu interpretierbaren Daten. Nun denke ich mir mein Projekt selber aus. Das ist toll finde ich, nur gibt es ca. 3 Millionen Dinge, die ich gerne ausprobieren würde, doch die Zeitbegrenzung liegt bei 3 Jahren und die finanziellen Schranken wahrscheinlich noch tiefer. Es sollte also möglichst günstig sein, und sich am besten in Unterprojekte einteilen lassen, sodass Bachelor- und Masterstudenten von mir mit beschäftigt werden können. Seit zwei Monaten plane ich. Und verwerfe den Plan. Zwischen all dem Planen, habe ich keine Zeit für meine Experimente. Bei all den Meetings, Events und Ablenkungen komme ich auch kaum zum Planen. Es ist ein Teufelskreis.

Seit zwei Wochen habe ich einen Bachelor-Student und keine Ahnung, was ich ihm mit seinem Unterprojekt für Anweisungen geben soll. Daher halt ich mich eher zurück mit Ideen und meine Beschreibungen seiner Arbeitsaufgabe sind recht oberflächlich. Ich sage ihm, dies sei eine tolle Chance für ihn, seine Zeit selber einzuteilen und seiner Versuche selbst zu planen. Ratlos schaut er mich an. Später wird er mit dem Finger auf mich zeigen und mich für seine schlechten Ergebnisse verantwortlich machen.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit bewerbe ich mich um...


Mit dem Abgeben meiner Diplomarbeit beginnt das große Warten. Auf die Note. Auf das Abschlusszeugnis. Auf die Zukunft. Da sich während des Wartens eine relativ große Leere in meinem Leben auftut, überlege ich mir, wie ich sie sinnvoll füllen kann.

Auf Platz eins der empfohlenen Tätigkeiten nach Beendigung eines Studium steht die erfolgreiche Bewerbung. Davor habe ich Angst. Ich habe mich schon oft beworben. Bei Starbucks. Bei potentiellen Mitbewohnern oder um ein unbezahltes Praktikum. Bis jetzt auch immer irgendwie erfolgreich. Aber ein richtiger Job bietet Potential zum Gruseln. Ich rufe meinen abgespeicherten Lebenslauf im pdf- Format auf. Der gute alte Freund wurde immer mal wieder aktualisiert und hat mir immerhin ein Stipendium und eine Diplomarbeit in Kopenhagen beschafft. Jetzt sieht er allerdings aus wie eine mehlige, alte Kartoffel. Langweilig und ungesalzen. Mehr Pepp muss her, würde der Personalleiter sagen. 

„ Die Bewerber müssen sich durch einen individuell gestalteten Lebenslauf hervorheben“. 

Na klar, nachdem uns zu enge Studienordnungen, Bafög- Pläne oder andere Erwartungen der zielorientierten Gesellschaft dazu zwingen, alle das gleiche zu studieren und das gleiche zu machen, uns gleich zu kleiden und die gleiche Meinung zu haben,  sehen folgerichtig alle unsere Lebensläufe gleich aus. Daher ist wohl das Design entscheidend. Macht Sinn, denke ich mir und bin ein bisschen traurig, weil ich kein Pausen-Semester für eine Zirkuskarriere oder eine Weltumsegelung eingelegt habe. Dann hätte ich jetzt was zu berichten.

Drei Stunden lang bastele ich mit Office- Word an meinem fetzigen, individuellen Design. Ich setze „Liebe zum Detail“, „Exzellente MS Office- Kenntnisse“ und „hochmotiviert“ auf meine Liste der besonderen Eigenschaften. 

Der Personalleiter empfiehlt auch, seine eigenen Stärken hervorzuheben und bei den einzelnen Stationen des Lebenslaufs herauszuarbeiten, welche Fähigkeiten man sich angeeignet hat. 

„Der Bewerber muss unbedingt betonen, was er in die Firma einbringt und welch ein Gewinn er für die Firma darstellt“

Hm denke ich, "Liebe zum Detail" und "hochmotiviert" trifft wohl auch auf 75% der Deutschen zu. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich denke mir ein paar lustige „Persönliche Interessen“ aus und spinne mir im Kopf zusammen wie man in meinem Bewerbungsgespräch bei einem etablierten Pharma- Unternehmen über mein liebstes Puzzle- Motiv diskutiert.

Ich finde, wenn das eigene Leben auf maximal zwei DINA4- Seiten herunter gebrochen wird, ist es schwer sich aus der Masse hervorzuheben. Jeder war im Ausland und spricht hundert Sprachen. Jeder integriert sich schnell, arbeitet strukturiert und selbständig, ist jedoch trotzdem teamfähig. Auf jeden Fall behauptet es jeder. Ist es einzig meine liebevoll gestaltete rote Überschrift, die mich von anderen Bewerbern unterscheidet? Vielleicht sollte ich meinen Lieblingssong als mp3 mitschicken oder ein gutes Rezept für Kohlrouladen? Das würde im Gedächtnis bleiben.

Am Ende des Tages habe ich immernoch meinen einen Null-acht-fühnfzehn Lebenslauf mit Schwarzweißfoto und den Höhepunkten meiner akademischen und beruflichen Karriere in chronologischer Reihenfolge.  Der rote Knaller-Lebenslauf, der mich als hochmotivierten Ingenieur mit „excellent skills“ in allem Möglichen darstellt, bietet die zweite Option. 

Da ich unentschlossen bin, welchen Entwurf ich wählen soll, mache ich das, was ich im Moment am besten kann: warten.


Donnerstag, 2. August 2012

Pilze suchen für Anfänger


Viele nicht mehr ganz nachzuvollziehbare Zusammenhänge führten dazu, dass ich für meine Diplomarbeit hauptsächlich mit der Fermentation von filamentösen Pilzen beschäftigt bin.
Für die Glücklichen unter euch, die sowohl mit dem einem, also auch mit dem anderen nichts anfangen können, hier eine kurze Einführung:
Filamentöse Pilze sind die Pilze, die flauschig auf unserem Brot wachsen, wenn wir es zu lange in der Sonne vergessen haben. Sie sind oft grün oder weiß- im Badezimmer zwischen den Fugen auch gerne mal schwarz. Mein Pilz heisst Aspergillus niger, und schimmelt, lässt man ihn ungestört wachsen muffelig schwarz vor sich hin.
Ein Fermentor benutzt man, um in kurzer Zeit viele Pilze unter klar definierten Konditionen (Temperatur, Druck, pH-Wert) heranwachsen zu lassen. Er besteht aus einem Glasgefäß und unzähligen Pumpen, Schläuchen und kleinen Geräten, die sehr sensibel sind und präzise bestimmte Dinge, z.B. die Temperatur messen sollen, dieses aber nur selten präzise tun. In modernen Laboren kann man auch die Luft analysieren, die aus dem Fermentor heraus kommt und feststellen, welche Gase im Fermentor produziert werden. Hoffentlich CO2 denn das bedeutet, dass der Pilz wächst. Hoffentlich nicht Methan, denn dann riecht es unangenehm und etwas läuft verkehrt. 
Wirft man nun sein schimmliges Brot in Form einer konzentrierten Pilz-Lösung in einen Fermentor, zusammen mit ein bisschen Zucker, einigen Mineralsalzen und Wasser, dann besteht die Chance, dass nach 24h viele quick lebendige Pilze darin herum schwimmen und nützliche Dinge produzieren, z.B Zitronensäure. Wenn man den pH-Wert verändert, formen sich kleine oder große Pilzfamilien, die dann mehr oder weniger Säure produzieren. Am allerliebsten sollte der Pilz aber Proteine herstellen, die man dann für viel Geld an die Industrie verkaufen kann. Das ist allerdings etwas schwierig, da niemand so genau weiß, unter welchen Bedingungen die meisten Proteine produziert werden.
Viele kluge Menschen gehen nun ins Labor und schalten wie wild Gene an und aus und hoffen, dass dadurch die Proteinherstellung angekurbelt wird. Oft passiert gar nichts oder etwas, was niemand erwartet hat. Selten entstehen große Mengen an Proteinen.
Daher teste ich der Reihe nach unterschiedliche Pilz-Mutanten um rauszufinden, welcher von ihnen hinsichtlich der Proteinherstellung ein richtiger Bringer ist. 
Das kostet Zeit und Nerven. Und Geld. Eine Fermentation dauert 4 Tage. Die Vorbereitung dauert 2 und die Reinigung einen Tag. Die Analyse der ganzen Daten sowie weitere Versuche im Anschluss dauern mindestens eine Woche. Wenn man sechs Fermentoren startet, gehen min. 2 im Laufe des Versuchs kaputt, da irgendetwas nicht stimmt, eine Pumpe nicht funktioniert oder die Temperatur-Regelung ausfällt.  Mindestens einer der Fermentoren ist kontaminiert, d.h. es wächst neben dem Pilz noch etwas anderes was die Ergebnisse verfälscht. 
Im Klartext: Wenn man gut ist, kann man von den sechs Fermentoren drei heil ans Ende des Experiments bringen. 
Wenn es um die Wahrscheinlichkeit von Erfolg geht, arbeitet die Fermentation gegen mich. Ich habe schon 6 Wochen lang versucht optimale Bedingungen für meinen kleinen Pilz zu schaffen und habe vielleicht 3 auswertbare Versuchsreihen. Von riesigen Mengen an Proteinen ist am Horizont weit und breit nichts zu sehen.
Dabei ist es eigentlich nicht so schwer. Wenn man alle der 250 notwendigen Schritte zur Vorbereitung, sowie die restlichen hundert während des Experiments genaustens befolgt und sich dann auf die einwandfreie, moderne und gut gewartete Ausstattung des Labors verlassen kann, kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Wie gesagt: 3 auswertbare Versuchsreihen.
Nächsten Montag starte ich die nächste Runde. Ich habe alle 250 Schritte mit verschieden farbigen Stiften auf ein Blatt Papier geschrieben und noch unterstrichen. 
Hoffentlich, ist diesmal die Wahrscheinlichkeit auf meiner Seite.

Dienstag, 24. April 2012

shiny happy people

In Dänemark sind alle Menschen glücklich. Immer. Sie sind gesund, haben keine Selbstzweifel und kennen Gefühle wie Neid und Misgunst nur aus deutschen Filmproduktionen. Das Leben der Dänen ist perfekt geplant und nie geht etwas schief. Jeder ist gut gelaunt, vermutlich weil sie genau wissen, was sie erwartet.

Jeden Tag wird bei mir im Institut gemeinsam zu Mittag gegessen. Alle essen Punkt 12 Schwarzbrot mit fettreduziertem Belag und Gemüse. Man sitzt gemütlich zusammen und unterhält sich. Ich höre meistens nur zu und esse wahlweise eine Heiße -Tasse von Maggi, ein Stück Pizza von gestern Abend (nicht selbstgemacht) oder wenn es ganz hart kommt ein Brot mit Nutella. Die in etwa gleichaltrigen Mitessen tauschen sich über ihre Alltagssorgen aus. Sie sind alle verheiratet oder verlobt, bereits Mutter oder Vater und in Besitz einer Eigentumswohnung mit mehr als 100 Quadratmetern. Ich lebe mir meinem Freund auf 55 Quadratmetern zur Untermiete. Niemand scheint finanzielle Sorgen oder Zukunftsängste zu kennen, denn alle nehmen freudig Kredite auf und überlegen sich einen Staubsauer- Roboter zu kaufen. Na klar doch.

Auch in der Freizeitplanung sind die Dänen mir überlegen. Nach ihrem 10h- Tag im Labor radeln sie fröhlich nach Hause zu ihrer Eigentumswohnung mit Südbalkon um dann frisch und munter noch 13 km zu joggen- da das Wetter ja so schön ist. Nach 7 km radeln trinke ich ein Bier an unserem französischen Fenster und schaffe es gerade mal unter die Dusche und wieder zurück auf das Sofa.

Ich fühle mich manchmal fehl am Platz in Dänemark. Weil ich oft schlechte Laune habe, gelegentlich schwarz fahre und meine Pfandflaschen wegschmeiße. Die Super-Dänen machen mir Angst, es muss doch auch welche mit schlechten Eigenschaften gebe?. Warum wirken sie oft so überlegen, als wüssten sie es besser? Das, mit dem Leben.

Selbst auf der Straße geben mir Dänen das Gefühl, ich würde etwas falsch machen. Zum Beispiel auf der falschen Seite des Gehwegs gehen oder auf den falschen Sitzen in der U-Bahn sitzen. Deswegen immitiere ich so gut es geht, was die Dänen machen- um nicht aufzufallen.

Das Beachten und Befolgen von allmöglichen Regeln und Lebensentwürfen ist mir neu. In Berlin macht jeder was er will. Wenn hier das Gesundheitsamt findet, die Dänen sind zu dick, gibt es eine neue Steuer auf fetthaltige Produkte- und niemand beschwert sich.

Vielleicht muss man sich in einem kleinen Land an den großen Plan halten? Dänemark ist wohl kein Land für Individualisten.

Dienstag, 3. April 2012

Gut gegen Nordwind

Mit jeder neuen Jahreszeit beginnt ein neuer Abschnitt. Ich als Fan von kultureller Abwechslung beginne diesen in einem nördlich gelegenen Nachbarland, welches die EU- Bestimmungen zur Immigration etwas weitläufiger interpretiert. Dafür ist Dänemark sehr fortschrittlich, wenn es um die Gewinnung von Windenergie geht. 
Vor dem Umzug ins neue Heimatland gibt es eine Brückenphase im Heimathafen. Da die alte Wohnung schon weg ist, bieten Mama und Papa Unterschlupf im alten Kinderzimmer. Zwischen dem Meerschwein, gemütlichen Tatort- Abenden, Kaffee und Kuchen, der Badewanne sowie Sonntagsspaziergängen vergisst man schnell den Ernst des Lebens und ist wieder 15 Jahre alt. Dann fällt man aus allen Wolken, wenn man auf einmal nicht mehr von Papa geweckt wird und Lebensmittel wieder selber einkaufen und zubereiten muss. Eine solche Zeitreise ist sehr empfehlenswert, sollte jedoch abgebrochen werden, bevor Diskussionen über das Outfit, den gerade aktuellen, coolen Kifferfreund, Bereitschaft zur Mithilfe im Haushalt oder Zensuren aufkommen. Also breche ich nach 3 Wochen mit friedlicher Grundstimmung modisch, aber stilvoll gekleidet auf in den Norden.
Die Dänen empfangen mich mit offenen Armen und ich darf als EU- Bürger erst einmal eine „residence permit“ beantragen. Hoffentlich darf ich bleiben. Man benötigt nur einen Nachweis, dass man über unbegrenzte finanzielle Mittel verfügt und schon ist man willkommen. Ich fühle mich allerdings etwas seltsam zwischen all den anderen „Immigranten“, die offensichtlich keine Mutter haben, die dafür bürgt den monatlichen Minimalbetrag, der in Dänemark zum Leben benötigt wird, zu überweisen. Zum Glück ist meine Mutter Beamtin, das finden potentielle Vermieter auch immer klasse.
Hat man den Immigrations- Schock erst einmal überwunden, bleibt Zeit, Dänemarks positive Attribute näher unter die Lupe zu nehmen. Es gibt ein flächendeckendes Netz sehr breiter Fahrradwege und allerdings auch 20 verschiedene Regeln, die man beachten muss, sonst gibt es hohe Geldstrafen zu zahlen. In Berlin fahre ich immer ohne Licht und ohne wild zirkulierende Armbewegungen, die anzeigen, dass ich den Gang wechsel. Ich habe nicht einmal verschieden Gänge. Ich bin gespannt, wie lange ich ohne Katzenaugen und selbst reflektierenden Reifen mit beiden Händen am Lecker der dänischen Polizeit entwischen kann.
Außerdem gibt es super Angebote in Supermärkten, sodass man 7 Packete Pasta zum Preis von 4 kaufen darf. Man muss sich nur gut überlegen, wo man die Pasta lagern wird. Ich habe mir schon verschiedene Rezepte für Lasagneblatten, dreifarbige Spirellinudeln oder Makkaroni ausgedacht, denn es ist sogar möglich unterschiedliche Pasta-Arten miteinander kombinieren. Mein deutsches Sparer-Herz schlägt höher.
Bald ist die erste Woche um. Aufgrund der hohen Preise für öffentliche Verkehrsmittel fahre ich jeden Tag mit meiner Möhre von Fahrrad 13 km zur Arbeit. Danach freue ich mich auf einen Teller gesunde Vollkornspaghetti und eine Folge dänischen Psycho-Krimi. Hoffentlich kommt meine „residence permit“ bald, dann darf ich als Immigrant einen dänischen Sprachkurs belegen.
Vi snakkes ved.