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Freitag, 6. Mai 2011

Back to the start

Ich liege wieder in meinem eigenen Bett. Es läuft Radio Eins. Morgen früh werde ich mir meinen Kaffee mit meiner geliebten Rowenta kochen und mit meinem alten verkalkten Duschkopf duschen. Meine Nachbarn machen auf dem Balkon gegenüber Radau und mein Sofa ist immer noch genauso unbequem. Alles ist irgendwie gleich- und doch nicht.
Ich denke immer noch nach. Aber nicht mehr Kanada. Jetzt wieder in Berlin.
Ewig dauerte die Vorfreude auf mein Jahr im fernen Westen. Nun ist es vorbei. Am Ende zählte ich die Tage, wollte nur noch nach Hause. Und nun?
Bilanz zu ziehen ist schwer und vielleicht auch nicht notwendig. Ich kann ein Jahr nicht bewerten wie einen Vortrag, einen Song oder ein neues Spargel-Rezept. Ich sitze mitten drin und müsste mich daher selbst bilanzieren.
Schön war‘s. Und schwer war‘s. Und manchmal war es sehr einsam. 
Es war kalt. Und es war aufregend. Es war weit weg und vielleicht zu lang. 
Aber eins ist sicher: Es war meins.
Die Erinnerungen machen es sich in meinem Kopf gemütlich. Sie nisten sich ein. Wollen nicht vergessen werden, müssen aber auch Platz machen für neue Tage- in Berlin.
Ich hänge ein paar Fotos an die Wand. Es tut ein bisschen weh. Ich sehe, wie ich diese Zeit verliere. Bilder an der Wand zeigen immer Dinge die waren. Das Foto-Ich gab es noch vor einer Woche. Jetzt ist es ein Gesicht aus einer anderen Zeit und ich finde meine Frisur komisch-dabei ist es doch die gleiche.
Ob ich froh bin wieder hier zu sein? Ja.
Ob ich es noch einmal machen würde? Ja.
Ich habe es gehasst. Die Kälte. Die Langeweile an einem Freitag Abend. Den Schnee. Den Kaffee, das Gesundheitssystem, kanadische Milchprodukte und Preise die keine Mehrwertsteuer enthalten. 
Ich habe es geliebt. Die Berge und die Unendlichkeit dieses Landes. Unverletzlich zu sein aufgrund meiner Unerreichbarkeit. Das schnelle Internet und das letzte überflüssige Bier, heimlich in meinem Zimmer zu Tocotronic.
Ich war nie alleine. Und doch war ich es vielleicht immer. Gemeinsam mit allen anderen gestrandeten Austauschstudenten bauten wir uns unsere Insel. Jetzt, da alle anderen auch zu Hause sind, taufe ich sie Atlantis. Wir wissen, dass sie da war- finden kann sie niemand mehr. 
In Kanada trage ich selten BH und Make-Up. Ich gehe im Schlafanzug zum Briefkasten und finde die Musik von Katy Perry erträglich. Ich koche mir oft Reis und es stört mich nicht, wenn jemand mein Gesichtshandtuch für seine Hände benutzt. In meinen Kursen bin ich die komische Austauschstudentin, die niemand kennt, und mit der niemand redet. Ich esse jeden Morgen eine Grapefruit. Meine North-Face Funktionsjacke ist mein stetiger Begleiter und anstatt zu lesen, baue ich mir eine Parallelwelt mit Freunden aus amerikanischen Serien.
In Berlin stopfe ich mir meine Jeans in die Stiefel, ziehe mir die Kopfhörer auf die Ohren und lasse mich von der U-Bahn zu “The National“ durch die Stadt schaukeln. Zum Frühstück gibt es Kaffee und ich kann mich nicht entscheiden, welche meiner 5 Jacken ich heute tragen soll. Meine Kommilitonen grüßen mich auf der Straße. Bis jetzt habe ich mein Gesichtshandtuch noch nicht einmal gewaschen. Allerdings gucke ich immer noch zum Einschlafen Scrubs, obwohl ich demonstrativ ein Buch auf meinen Nachttisch gelegt habe.
Es ist schön, zu Hause zu sein. Aber Kanada wird mehr sehr fehlen. Und alle, die es mit mir waren.