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Montag, 11. Oktober 2010

Jasper


Es ist Freitag Nachmittag auf dem Universitätsgelände in Calgary. Neun aufgeregte Mitzwanziger sitzen mit erwartungsvollen Blicken in zwei amerikanischen Kleinwangen. Vor ihnen liegen 500 km Natur pur- aufgeteilt in zwei National Parks. 
Banff kenne ich schon. Der andere ist neu.
Hoffentlich überzeugt  der Jasper Nationalpark nicht nur durch seinen Namen.
Wir fahren los und lassen Calgary schnell hinter uns.
Was man dann zu sehen bekommt, glaubt man erst nachdem man es gesehen hat.
Der Highway 01 schlängelt sich durch Felsen, und Schluchten, vorbei an Gebirgsketten und Tälern. Meine Nase klebt an der Scheibe. Schon alleine auf dem Hinweg nehme ich meinen Finger kaum vom Auslöser meiner Kamera. Doch einzufangen ist der Eindruck kaum.
Als wir ankommen ist es dunkel und kalt. Die Straßen werden schmaler. Als wir abbiegen treffen unsere Scheinwerfer einen Hirsch mit gewaltigem Gewei. Er bleibt allerdings von uns unbeeindruckt.
Das Hostel in dem wir schlafen ist ueberfuellt und stickig. Etwa 60 Leute schlafen in einem grossen Raum in Doppestockbetten. Da ich immernoch leicht erkältet bin, habe ich große Angst in der Nacht zu husten und alle anderen 59 schlafenden Hostelbesucher aufzuwecken. Paralisiert vor Panik schlafe ich ziemlich beschissen. Der Wecker klingelt um 6.00. Wer einen Bären sehen will, muss früh aufstehen- heißt es.
Einen Bären sehen wir nicht.
Dennoch.
Achtzehn schlaftrunkene Augen blinzeln müde durch die kandische Wildniss. 
Auf dem Tagesplan: Wandern.
Anfänglich lauft alles gemütlich. Man redet, macht Fotos und bewundert die Umgebung. Mit vorranschreitender Zeit nimmt auch der Anstieg zu. Man schweigt. Ich schitze. Der Schweiß rennt mir den Rücken runter. Niemand sagt mehr ein Wort. Alle Schnaufen.
Am Ende geht es um Leben und Tod.
Ich bin sehr froh, mir Wanderschuhe ausgeliehen zu haben und muss dennoch am Ende meine Hände zur Hilfe nehmen.
Auf allen vieren krakseln neun schwitzende Abenteurer den Hang hinauf.
Oben angekommen fühle ich mich wie Roland Messner. Nur dass ich noch alle 10 Zehen habe.
Die Natur verschlingt mich. Grün, wohin das Auge sieht. Es ist atemberaubend.
Getrieben von Euphorie und Erschöpfung huepfen wir herrum wie verrückte Kaninchen und freuen uns, über unsere Heldentat. 
Der Rueckweg ist mühsam und längst nicht so aufgerengt wie der Weg hinauf.
Aber das Gefühl bleibt.
Sonntag Morgen um 5.30. Es ist frueh und dunkel. Das letzte Glas Wein am Vortag war schlecht. Ich fuehle mich erschöpft und dehydriert. Der Husten schüttelt mich zu früh aus dem Bett und treibt mich in den Gemeinschaftsraum. Aus Angst, die Gemeinschaft aufzuwecken sitze ich nun auf einem unbequemen Sofa und starre ins Dunkle.
Es regnet. Die anderen stehen erst um sieben auf.
Unser Auto kämpft sich durch den Regen. Alles ist grau und nass. Aber man ist ja nur einmal hier.
Die Gruppe spaltet sich. Einige fahren zurück. Aber ich habe noch lange nicht genug.
Nichts schweisst mehr zusammen, als gemeinsam triefnass durch den Wald zu stapfen und “Wer bin ich” zu spielen. Napoleon? Marie Curie? Man merkt, wie sind Europäer. Oben angekommen, war es erneut die Mühe wert.
Fünf Europaeer sitzen auf einem Stein und können sich nicht satt sehen an der Aussicht.
Niemand will zurueck nach Calgary. Aber alle müssen.
Montag Morgen.
Wir fünf sitzen wieder in einem Auto.
Die Haare zerszaust vom Wind, die Gesichter von der Sonne geroetet. Trotzdem sind die Figer kalt- heute waren -6°C. Es ist Oktober. Und hinter uns liegt ein Wochenende, das kaum zu ueberbieten ist.
Ich bin verliebt in Jasper.




















2 Kommentare:

  1. Mein anfängliches Schmunzeln verwandelte sich beim letzten Satz in ein breites Grinsen mit einer klitzekleinen Träne der Rührung im Augenwinkel.

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  2. och nee, ich will dich doch nicht zum Weinen bringen. Wie war BC2? Ich bekomme jetzt schon Angstschweiß, wenn ich daran denke...

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