Wenn ich übers
Wochenende nach Berlin reise, um meine Eltern und Freunde zu besuchen, habe ich
nie genug Zeit.
Egal wofür.
Es gibt
immer jemanden, den ich nicht schaffe zu treffen, eine Party, die ich verpasse,
einen Kaffee, den ich nicht trinken kann. Der ewige Begleiter, des Weggezogenen
beim Heimatbesuch, ist die tickende Uhr. Bei mir startet das Ticken meistens Donnerstagabend
gegen zehn und tickt bis Montagmorgen um sechs. Mal tickt es lauter, mal leiser, je nachdem
wie lange ich bleibe, wie viel es zu tun gibt, ob Sommer ist, oder mein Vater Geburtstag
hat.
Aber egal wie laut die Uhr tickt, fast jeder Besuch ist ein Spagat
zwischen dem elterlichen Frühstückstisch, dem Sofa der Freundin, preislich attraktiven
Shopping-Möglichkeiten, dem Opa, einer durchtanzten Nacht, sämtlichen Vorsorgeuntersuchungen,
alten Bekannten, Mittag mit Mama und dem Wunsch auch mal auszuschlafen, denn es
ist ja auch mein Wochenende.
Ich will
alles schaffen und scheitere jedes Mal ein wenig. Je besser ich plane umso
katastrophaler wird es, und ich werde jedes Mal nur gerettet, durch spontane, verständnisvolle
Freunde, die ihren Kalender offen halten und so die 45 Minuten zwischen Prophylaxe und Leberfleck-Screening mit Klatsch und Tratsch
füllen. Ich hätte so gern mehr Zeit, für die kleinen Dinge, die allerdings nur passieren,
wenn man Zeit hat. Aber die verpasse ich ja meistens, weil ich keine habe und wieder los und
weiter muss.
Deswegen
freue ich mich immer sehr, wenn jemand zu Besuch kommt-in Dänemark. Meinen Besuch überschütte
ich dann von morgens bis abends mit Liebe und Aufmerksamkeit. Wir erleben
kleine Dinge zwischen den Großen und essen im Schlafanzug Frühstück im
Wohnzimmer. Ich sehe meine Freundinnen ungeschminkt und koche mit ihnen ein
Phantasiegericht . Meine Schwester und ich sehen bescheuerte Serien und putzen
Schuhe. Aber auch da tickt die Uhr. Irgendwann ist Sonntag und der Besuch muss
fahren und ich habe das Gefühl wieder was nicht geschafft zu haben.
Tja, da
müsst ihr wohl mal wieder kommen-sage ich. Ja, sagen die anderen, aber jetzt
kommst du erst mal wieder nach Berlin. Ist klar.
Wenn der
Besuch weg ist, oder ich wieder zu Hause bin, mit deutschem Käse im Kühlschrank
und schwerem Herzen, dann liege ich
manchmal traurig im Bett und wünsche mir die Uhr würde nicht ständig ticken.
Dann stelle ich mir vor, dass die Zeit stehen bleibt- allerdings während ich
aufs Klo muss, Zahnschmerzen habe und es gerade regnet. Immerhin bedeutet das Konzept der immer voranschreitenden
Zeit ja auch, dass der nächste Besuch bald kommt oder ich wieder nach Berlin fahre. Tja, wer das eine will, muss das andere mögen.
Vielleicht,
wenn ich das Ticken akzeptiere, tickt es lautlos und ich muss es nicht mehr
hören.
Eine
Armbanduhr trage ich schon lange nicht mehr.
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