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Mittwoch, 24. Oktober 2012

Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit bewerbe ich mich um...


Mit dem Abgeben meiner Diplomarbeit beginnt das große Warten. Auf die Note. Auf das Abschlusszeugnis. Auf die Zukunft. Da sich während des Wartens eine relativ große Leere in meinem Leben auftut, überlege ich mir, wie ich sie sinnvoll füllen kann.

Auf Platz eins der empfohlenen Tätigkeiten nach Beendigung eines Studium steht die erfolgreiche Bewerbung. Davor habe ich Angst. Ich habe mich schon oft beworben. Bei Starbucks. Bei potentiellen Mitbewohnern oder um ein unbezahltes Praktikum. Bis jetzt auch immer irgendwie erfolgreich. Aber ein richtiger Job bietet Potential zum Gruseln. Ich rufe meinen abgespeicherten Lebenslauf im pdf- Format auf. Der gute alte Freund wurde immer mal wieder aktualisiert und hat mir immerhin ein Stipendium und eine Diplomarbeit in Kopenhagen beschafft. Jetzt sieht er allerdings aus wie eine mehlige, alte Kartoffel. Langweilig und ungesalzen. Mehr Pepp muss her, würde der Personalleiter sagen. 

„ Die Bewerber müssen sich durch einen individuell gestalteten Lebenslauf hervorheben“. 

Na klar, nachdem uns zu enge Studienordnungen, Bafög- Pläne oder andere Erwartungen der zielorientierten Gesellschaft dazu zwingen, alle das gleiche zu studieren und das gleiche zu machen, uns gleich zu kleiden und die gleiche Meinung zu haben,  sehen folgerichtig alle unsere Lebensläufe gleich aus. Daher ist wohl das Design entscheidend. Macht Sinn, denke ich mir und bin ein bisschen traurig, weil ich kein Pausen-Semester für eine Zirkuskarriere oder eine Weltumsegelung eingelegt habe. Dann hätte ich jetzt was zu berichten.

Drei Stunden lang bastele ich mit Office- Word an meinem fetzigen, individuellen Design. Ich setze „Liebe zum Detail“, „Exzellente MS Office- Kenntnisse“ und „hochmotiviert“ auf meine Liste der besonderen Eigenschaften. 

Der Personalleiter empfiehlt auch, seine eigenen Stärken hervorzuheben und bei den einzelnen Stationen des Lebenslaufs herauszuarbeiten, welche Fähigkeiten man sich angeeignet hat. 

„Der Bewerber muss unbedingt betonen, was er in die Firma einbringt und welch ein Gewinn er für die Firma darstellt“

Hm denke ich, "Liebe zum Detail" und "hochmotiviert" trifft wohl auch auf 75% der Deutschen zu. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich denke mir ein paar lustige „Persönliche Interessen“ aus und spinne mir im Kopf zusammen wie man in meinem Bewerbungsgespräch bei einem etablierten Pharma- Unternehmen über mein liebstes Puzzle- Motiv diskutiert.

Ich finde, wenn das eigene Leben auf maximal zwei DINA4- Seiten herunter gebrochen wird, ist es schwer sich aus der Masse hervorzuheben. Jeder war im Ausland und spricht hundert Sprachen. Jeder integriert sich schnell, arbeitet strukturiert und selbständig, ist jedoch trotzdem teamfähig. Auf jeden Fall behauptet es jeder. Ist es einzig meine liebevoll gestaltete rote Überschrift, die mich von anderen Bewerbern unterscheidet? Vielleicht sollte ich meinen Lieblingssong als mp3 mitschicken oder ein gutes Rezept für Kohlrouladen? Das würde im Gedächtnis bleiben.

Am Ende des Tages habe ich immernoch meinen einen Null-acht-fühnfzehn Lebenslauf mit Schwarzweißfoto und den Höhepunkten meiner akademischen und beruflichen Karriere in chronologischer Reihenfolge.  Der rote Knaller-Lebenslauf, der mich als hochmotivierten Ingenieur mit „excellent skills“ in allem Möglichen darstellt, bietet die zweite Option. 

Da ich unentschlossen bin, welchen Entwurf ich wählen soll, mache ich das, was ich im Moment am besten kann: warten.


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